Tatort Westerwald

Kommentar zu „Sie nannten ihn Luigi“ und „Den hätt' er nicht schießen dürfen“ von Jörg Albrecht

Der Wolf kommt zurück nach Deutschland. Er wandert aus Polen oder Italien ein,wie der sogenannte Luigi, herkömmlich aus den Alpen, der am 10. Januar 2011 in der Nähe von Gießen gesichtet, angefahren und schließlich – am 22. April 2012 – im Westerwald erschossen wurde. Ein herber Verlust für die Biodiversität, der das Gleichgewicht der Natur störte und Jäger und Recht schockierte. Biodiversität. Dieser Begriff taucht seit ein paar Jahren fast überall auf und wird als etwas dargestellt, das man mit allen Mitteln schützen soll. Aber anscheinend nur so lange, dass es auch ja nicht gefährlich wird. Rettet den Feldhamster, die Fledermäuse, den süßen Biber, meinetwegen auch den Eisbären, der ist ja schön weit weg. Aber Wölfe hier in Deutschland? Nein, danke! Schon seit Urzeiten gelten sie als Verkörperung des Bösen. Sie fraßen Schafe, Kühe und andere Nutztiere, die Großmutter und beinahe Rotkäppchen, heulten den Mond an und waren mit dem Teufel im Bunde. Bis vor ein paar Jahren galten sie in Deutschland als gänzlich ausgestorben und werden dort heutzutage mit ca. 140 Tieren auf der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. An dieser mickrigen Population werden auch Tier- und Naturschutzgesetze nichts ändern können,

 

solange es noch Jäger gibt, die einen Schäfer-

hund nicht von einem Wolf unterscheiden können, sich nicht über eventuelle Wolfsbestände in ihrem Waldgebiet informieren, nicht treffsicher sind und trotzdem schießen und so ihr Heimatland um ein wertvolles Tier ärmer machen. Es kann doch wirklich nicht angehen, dass sich dieser einsame Jäger Luigi nur knapp ein Jahr in Deutschland aufhalten konnte, bis er grundlos niedergeschossen wurde. So verfährt man nicht mit Asylbewerbern oder Touristen aus anderen Ländern und schon gar nicht mit einem eigentlich erwünschten Tier. Ob er denn nicht gewusst habe, dass sich ein Wolf in seinem Jagdgebiet, dem Westerwald, aufhalte?, wurde der 72-jährige Todesschütze Peter R. gefragt. Nein, woher denn?, lautete die Antwort. Woher denn? Da ließe sich doch vieles vorschlagen. Wie wäre es mit Internet, Zeitungen, Radio, oder gar Fernsehen? Ein Wolf ist ja nun mal nicht so klein, dass man ihn problemlos übersehen könnte. Außerdem stellt sich noch die Frage, wieso ein Jäger, der sowieso so gut wie gar nicht, fast nie auf sich bewegendes Wild, und nicht sonderlich treffsicher schießt, bei Anbruch der Dunkelheit trotzdem zur Waffe greift – und trifft. Ein Zufallstreffer oder mehr? Zugegeben, Peter R. hatte den Wolf nach eigenen Angaben für einen Schäferhund, der ein Reh gerissen hatte, gehalten und aus Wut über das wildernde Tier gehandelt, doch sollte ein Mann, der beim Jagen nur noch von seinen Gefühlen geleitet wird und geschützte von zum Abschuss freigegebenen Tieren nicht mehr zu unterscheiden vermag, berechtigt sein, seinen Jagdschein zu behalten? Diese Frage ist mit einem moralisch-geprägten Nein zu beantworten, hoffen wir, dass sich dieses Wörtchen auch rechtlich durchsetzt.

Unerwünschter Einwanderer: Luigi im Westerwald          Foto: dpa
Unerwünschter Einwanderer: Luigi im Westerwald Foto: dpa