Rettung der Biodiversität durch Klonen? - Ein Experteninterview

Im Bezug auf das Thema Biodiversität haben wir ein Interview mit Herrn apl. Prof. Dr. phil. Kellerwessel und Herrn Zacharias über die Fragestellung, ob man die Biodiversiät mithilfe des Klonens retten könnte, geführt. Herr Kellerwessel vertritt den Fachstuhl der praktischen Philosophie am Philosophischen Institut an der RWTH in Aachen und beschäftigt sich nicht nur mit den Grundfragen der Ethik, sondern auch zunehmend mit sogenannten Anwendungsethiken, wie zum Beispiel Bioethik oder Naturethik.

Herr Zacharias ist ein Biologie- und Chemielehrer am Einhard Gymnasium und hat die biologische Seite des Klonens beleuchtet.

I: Unsere erste Frage ist: Was können Sie uns zum Begriff Biodiversität erzählen?

K: Es gibt eine Unterscheidung zwischen der Diversität zwischen Genpools, also innerhalb einer Art. Dann ist es oft wichtig, wenn diese kurz vorm Aussterben ist, dass man die Diversität des Genpools einfach erhält. Das ist aber eigentlich eine ganz andere Frage, als wenn es um Ökosysteme und deren Lebensvielfalt, um Pflanzen oder um Tiere im Allgemeinen geht. Es gibt ganz viele verschiedene Grundpositionen in der Philosophie, mit denen man anfangen kann. Zum Beispiel: Wie kann man das denn begründen, dass die Natur und die Artenvielfalt überhaupt irgendeinen Wert hat?

I: Wir hatten uns überlegt, dass wir mehr auf den Schwerpunkt Klonen eingehen wollen und wie das aus Ihrer Sicht ist, weil man kann das ja aus verschiedener Sicht sehen, zum Beispiel, ob es in Ordnun

K: Ich denke, dass käme sehr auf den Einzelfall an, zum Beispiel wäre das Auferstehen lassen der Saurier, wie es in den Jurrasic-Park-Filmen vorhanden ist, wahrscheinlich sowieso technisch auf absehbarer Zeit gar nicht möglich. Meiner Meinung nach ist es ganz wichtig, dass die Klone eine Überlebenschance haben, dass heißt diese müssen in ein Ökosystem eingebracht werden, in welchem sie überleben können und das würde eigentlich nur zulassen, dass man Tiere wieder versucht zu erzeugen, die erst vor kurzem vom Menschen ausgerottet worden sind, wie zum Beispiel den australischen Moa. Und wenn man eher säkular, also weltlich, argumentiert, finde ich, spricht grundsätzlich nichts dagegen. Das Problem ist natürlich, ob man dies machen kann, ohne unnötiges Leid zu erzeugen. Und das Klonschaf Dolly beispielsweise hat gezeigt, dass im Grunde die ganze Technik noch nicht so ausgereift ist, dass man wahrscheinlich auf dem Weg relativ viel Leid erzeugt.

Dann wäre die Frage: Was verspricht man sich eigentlich davon, wenn man so etwas überhaupt tut? Ich glaub wir haben nicht viel Interesse daran, dass der Moa wieder lebt, aber wenn es begründetes Interesse geben sollte, spricht grundsätzlich nichts dagegen.

Infokasten Klonschaf Dolly:

Das erste Tier, dass mit reproduktivem Klonen vervielfältigt wurde, war das Schaf Dolly. Ihr Geburtsdatum war der 5. Juli 1996, ihr Todestag am 14. Februar 2003. Dies ist für ein Schaf ein sehr geringes Alter, weshalb Forscher weiterhin nach Möglichkeiten suchen, Lebewesen noch besser zu klonen, so dass sie eine höhere Lebenserwartung haben. Beim Klonschaf Dolly wurde die Erbinformation eines erwachsenen Tieres in eine kernlose Eizelle eingepflanzt und diese befruchtete Eizelle anschließend in eine Leihmutter, welche Dolly letzen Endes austrug. Doch allein für diesen einen Klon mussten über 150 Ansätze gemacht werden, von denen die meisten schon sehr früh abgestorben sind oder sich im Mutterleib fehlentwickelt haben. Deshalb wird ist es fragwürdig, ob Klonen allgemein ethisch vertretbar ist.

 


I: Und Sie, Herr Zacharias, denken Sie, dass es fachlich möglich ist so etwas ohne viel Leid durchzusetzen?

Z: Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus, ist jede neue Technik, wenn man sie einführt, immer mit Schwierigkeiten verbunden. Ich sehe einen ganz großen Unterschied zwischen der Entwicklung von einem Motor, der kaputt gehen kann, bis man ihn wirklich optimiert hat, im Gegensatz zu einem Lebewesen, dass neu erzeugt werden muss, und welches zumindest Schmerz empfinden kann, ist immer eine ganz andere Dimension erreicht. Bei ausgestorbenen Tierarten bin ich sehr skeptisch, ob das funktioniert würde. Wenn ich zum Beispiel an das Mammutjunge denke, dass in Russland haben gefunden wurde und im Eis noch sehr erhalten war. Denn der Abbau von genetischem Material und Zellen geht relativ schnell von statten, da dies relativ lange Moleküle sind, und je größer ein Molekül ist, desto instabiler wird es über die Zeit, wenn es praktisch nicht im Leben immer wieder erneuert wird.

I: Denken Sie denn, dass es noch weitere Probleme beim Klonen von Lebewesen gibt, außer dem Schmerzempfinden?

K: Selbst bei Pflanzen, wo das Problem nicht besteht, dass sie Leid empfinden wenn etwas schief geht, da sie kein Schmerzempfinden haben, drohen, glaube ich, doch deutliche Auswirkungen, wenn man irgendwann versucht diese in die Umwelt einzubringen. Man hat schon oft Beispiele gesehen, wo Menschen es geschafft haben, unabsichtlich Lebewesen von einem Ökotop in ein ganz anderes zu bringen. Das bringt oft ganz viele Probleme. Asiatische Karpfen wandern inzwischen den Mississippi herauf und die einheimischen Arten werden alle verdrängt, weil die Karpfen größer sind und sich offenbar besser fortpflanzen. In so fern wäre ich da immer sehr vorsichtig, wenn es nachher an das Ausbringen in die Welt geht, denn man kann's nicht mehr zurückholen.

Z: Das ist immer ein komplexes System und die zusätzlichen Effekte sind schwierig abzuschätzen.

I: Haben sie vielleicht irgendwelche Ideen, wie man die Biodiversität noch schützen könnte?

K: Es gibt ja gewisse rechtliche Vorgaben, Naturschutzgesetzen und Europäische Richtlinien, die sind wahrscheinlich in vielen Fällen noch immer nicht taff genug sind. Zudem müsste man das Bewusstsein der Menschen über Bildung dahingehend verändern, dass sie selber insgesamt ökologischer leben und das Bewusstsein für die Verletzbarkeit der Natur erhöhen.

I: Kennen Sie noch weitere Möglichkeiten außer Klonen?

Z: Um die Biodiversität zu erhalten, gibt es zum Beispiel in Island eine Samenbibliothek für Pflanzen. Dort werden verschiedenste Pflanzensamen gesammelt und sicher tiefgekühlt untergebracht, sodass man diese dann neu zur Keimung bringen kann, falls die Pflanze ausstirbt. Ich finde aber, dass sind alles so Behelfsmittel. Dass eine Art aussterben kann, ist schließlich ein ganz natürlicher Prozess. Solche Ereignisse sorgen dafür, dass sich Leben weiterentwickelt, was auch der Satz aus Jurassic Park zeigt: „Das Leben findet [immer] einen Weg“ und das tut es tatsächlich auch. Flaschenhalsereignisse, also Ereignisse, wo ganz viele Arten auf einmal aussterben, die gab es in der Weltgeschichte ganz oft, und da hat sich immer etwas Neues draus entwickelt.

I: Also denken Sie nicht, dass es etwas mit dem Klimawandel zu tun hätte, oder?

Z: Das kann durchaus etwas mit dem Klimawandel zu tun haben, zum Beispiel wenn es eine Eiszeit gab, sind auch viele Arten ausgestorben. Genauso wie jetzt auch viele Arten aussterben werden. Das finde ich schlimm und man sollte etwas dagegen tun, man sollte sich auch ökologisch bewusst verhalten, das gehört alles dazu. Aber immer wenn ein bestimmter Bereich, in dem ein Lebewesen gelebt hat, sich verändert, sodass das Lebewesen, das vorher dort gelebt hat, dort nicht mehr leben kann, ist das ein biologischer Prozess, der, wenn er nicht von den Menschen beeinflusst wird, ganz normal ist.

K: Mein Problem ist eigentlich auch nur, dass dieser Prozess massiv von den Menschen beeinflusst wird. Ein Großteil der Tiere stirbt aus, da der Mensch entweder den Lebensraum zerstört oder ihn schon vor Tausenden von Jahren zerstört hat. Das Zweite ist natürlich auch, dass durch unseren Fleisch- und Fischkonsum eine Vielzahl von Lebewesen verschwinden wird, obwohl das nicht einmal am Klimawandel oder an ökologischen Veränderungen liegt. Ein Beispiel dafür wäre der ganze Beifang, der wieder tot ins Meer geworfen wird.

I: Also sollte man den Fehler erst in unserem Verhalten suchen, und dann Techniken wie Klonen benutzen?

K: Ich denke, zunächst sollte man den Fehler tatsächlich erst bei uns suchen, wobei das durch die riesige und stetig wachsende Zahl der menschlichen Bevölkerung immer schwieriger wird. Ich denke, gerade mit dem Klonen weiß man nicht, ob man da so viel erreichen kann beim jetzigen Stand der Dinge. Also bei Pflanzen gelingt es viel eher, weil es leichter, beherrschbarer und unproblematischer ist. Bei Tieren ist es schon viel schwieriger.

I: Wenn man Tierarten klonen würde, dann wäre die DNA eigentlich immer gleich. Denken Sie, das ist dann immer noch Biodiversität, obwohl die Gene ja sozusagen gleich sind?

K: Also generell würde ich jetzt erst mal denken: Nein, es ist keine Biodiversität mehr, weil man erzeugt ja immer das selbe Tier. Für Biodiversität würde das allenfalls sorgen, wenn man Tiere klont und sie dann in Populationen einbringt, wo es keine Tiere mit der gleichen genetischen Ausstattung gibt. Das könnte man ja versuchen, um vom Aussterben bedrohte Arten zu unterstützen, wenn es denn mit dem Klonen besser funktionierte.

Z: Es ist immer schwierig. Wenn man sich zum Beispiel überlegt: Es gibt keine Geparden mehr, und ich klone dann welche und die sollen sich untereinander vermehren. Das ist natürlich eine Population, also Lebewesen, die alle auf Inzucht basieren. Das bietet eine große Möglichkeit, dass schlimme und schwerwiegende Erkrankungen entstehen. Das ist immer besonders gefährlich, wenn sich Lebewesen aus der gleichen Linie miteinander paaren. Jedoch sieht man am Beispiel eines zurückreichenden Flaschenhalsereignisses, dass die gesamte Gepardenpopulation von Afrika, nur aus wenigen Geparden bestanden hat. Es kann also durchaus funktionieren.

K: Es gibt auch noch einen anderen Fall, den ich ganz spannend finde. Der Schwarzfußiltis in Nordamerika war ganz kurz vorm Aussterben. Es gab wohl nur noch wenige Dutzend Tiere. Da hat man alle eingefangen, hat ihnen Blut abgenommen, die DNA untersucht und hat dann die untereinander gekreuzt, die am wenigsten miteinander verwandt waren. Und da könnte man sich jetzt überlegen, was passieren würde, wenn man jedes Tier fünfmal klont und das gleiche macht. Dann hätte man zwar die Populationszahl erhöht, aber lohnt sich ein solcher Aufwand? Es mag vielleicht einzelne Fälle geben, wo es anders ist, aber da ist die Technik, der Natur einfach ihren freien Lauf zu lassen, viel günstiger.

Das Interview wurde sinngemäß gekürzt und anschließend grammatikalisch korrigiert.

Fazit:

Beim unserem Expertengespräch hat sich herauskristallisiert, dass beide Seiten die Rettung der Biodiversität durch Klonen im Allgemeinen als ethisch vertretbar ansehen, solange jedoch auf dem Weg zum Klon keine unnötiges Leid entsteht dies aber in nächster Zukunft kaum möglich sein wird. Zudem gibt es noch weitere Möglichkeiten, die Biodiversität zu schützen und dass die Natur sich vielleicht auch einfach so regenerieren kann, nachdem sie zerstört wurde, da es natürlich ist, dass Tierarten aussterben. Wir Menschen sollten jedoch trotzdem auf unsere Umwelt achtgeben und durch unser Handeln unsere Biodiversität erhalten.