Untergrundbewegung auf offenem Feld

Wie der Feldhamster das europäische Vorzeigeprojekt stoppte

die Action ist nicht wie geplant in den Bürogebäuden, sondern unterirdisch in den Feldhamstertunneln  Foto: Aachener Nachrichten
die Action ist nicht wie geplant in den Bürogebäuden, sondern unterirdisch in den Feldhamstertunneln Foto: Aachener Nachrichten

Geplante 12.000 Arbeitsplätze werden durch das ungefähr 30 cm lange Nagetier gecancelt. Viele vorgesehene Unternehmen wie zum Beispiel Zalando machen einen großen Bogen um Avantis, das Vorzeigeprojekt des europäischen Wirtschaftswachstums. Diese Traumblase wurde von dem europäischen Hamster, der in kleiner Population auf den Feldern des Baugebiets vorgefunden wurde, zerstochen.

 

Wenn der Hamster also ein großes Wirtschaftsprojekt stoppen kann, muss dem Staat und der Bevölkerung die Artenvielfalt anscheinend wichtig sein. Aber wieso dauerte es dann so viele Jahre bis endgültig sicher war, dass uns der Nager wichtiger als tausende von Arbeitsplätzen und dem Wirtschaftswachstum ist?

Der Grund hierfür ist hauptsächlich in unserem Deutschen Gesetzbuch zu suchen. Denn 1992 wurde in der Biodiversitätskonvention ein Gesetzesentwurf zum Schutz der Artenvielfalt entworfen. Eine Frist von 2 Jahren sollte die Länder, die diese Konvention unterschrieben hatten (darunter auch Deutschland), dazu bringen den Entwurf in das eigene Gesetz einzubringen. Somit hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch keiner, der Staat genauso wenig wie die Juristen, mit dem vorgeschriebenem Schutz (vor allem bei neuen Bauprojekten) befasst und die Rechtslage war eher unklar. Zudem ist der Hamster auch schwer zu beschützen, da man nicht einfach ein Schutzgebiet errichten kann, weil die Nager auf die Agrarwirtschaft der Menschen angewiesen sind. Durch die ständige Weiterentwicklung der Landwirtschaft und durch die sich damit veränderten schnelleren Ernteprozesse, werden viele für den nachtaktiven Feldhamster wichtige Phasen der Futtersuche entweder drastisch verkürzt oder sogar ganz ausgelassen. Durch diese Entwicklungen befand sich die Art der europäischen Hamster kurz vor dem Aussterben.

In dieser Zeit startete auch das grenzüberschreitenden Projekts der Stadt Aachen und der Stadt Heerlen „ Avantis“. Mit dem neu entwickelten Gewerbegebiet sollte das Wirtschaftswachstum Europas, insbesondere in der Rhein-Maas-Region demonstriert werden. Allerdings erwies sich die Natur als größter Gegner des Bauprojekts, da auf dem ausgewählten Bauland eine kleine, aber weit und breit einzige Population des Feldhamsters nachgewiesen werden konnte. Aufgrund des Gesetzentwurfes zur Biodiversitätskonvention war man nun an die neuen Vorschriften gebunden und musste nun also klären ob der Hamster oder die Wirtschaft zu weichen hatte. So hätte es zumindest sein müssen.

Doch wie eben schon erwähnt kannte sich niemand wirklich mit dem Gesetz aus. Daher ergriffen Bewohner der benachbarten Ortschaften, Richterich und Horbach, zunächst die Initiative zur Bedürfnissicherung der ansässigen Feldhamster. Inform einer Klage gegen das Bauvorhaben wurde ein langer juristischer Prozess in Gang gesetzt. In Folge wurden verschiedenste Gutachten erstellt, eingereicht und durch unterschiedliche Gremien geprüft. Durch den Umstand, dass der Gesetzesentwurf der Konvention erst 2002 in das deutsche Gesetzbuch übernommen wurde, verzögerte sich der Prozess. Es wurde Zeit benötigt, um sich mit den Vorschriften zum Artenschutz befassen zu können und deren Bedeutung für dieses Projektvorhaben bewerten zu können.

 

Zur Zeit der Diskussionen erkannten die holländischen Befürworter des Artenschutzes die problematische Lage und fingen alle noch lebenden Hamster auf den Feldern der deutsch-holländischen Grenze und nahmen viel Geld in die Hand um die winzige Population zu vermehren, mit dem Plan sie dann später wieder in den natürlichen Lebensraum zu entlassen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten funktionierte dieses Vorhaben und die nun deutlich größere Zahl an Nagern wurde vor 6 Jahren tatsächlich ausgewildert.

Nach Jahren der juristischen Auseinandersetzungen wurde schließlich zum Schutze der Hamster entschieden und ein Baustopp des europäischen Vorzeigeprojekts bewirkt.

Doch das Verhindern des Aussterbens der Feldhamster haben wir letztendlich nur den Holländern zu verdanken, die sich rechtzeitig für ein aktives Eingreifen entschieden haben. Heutzutage ist der Bestand der Feldhamster in der Umgebung Aachens gleichbleibend stabil und wird jährlich kontrolliert.

 

Es lebe der Untergrund!