Und Gott sprach: Im Wasser wimmle es von lebendigen Wesen [...]. Gott schuf die riesigen Seetiere, alle Arten von Wassertieren [...]. Gott sah, dass es gut war. Und Gott sprach seinen Segen über sie: Seid fruchtbar und werdet zahlreich, erfüllt die Wasser des Meeres.
Was hat er sich wohl dabei gedacht? Der große, weise alte Mann dort oben im Himmel, als er Geschöpfe erschuf, die sich gegenseitig das Leben schwer machen. Was hat er sich dabei gedacht, als er ein Tier erschuf, dass Jahrtausende lang verspottet und gejagt wurde. „Meerschwein“ wurde es genannt, da es den Meeresboden wie ein Schwein aufwühlen, sein Fleisch nach Schwein schmecken und seine Zunge und Augen an die von Schweinen erinnern sollten. Zusätzlich erhielt das bedauernswerte Wesen auch noch den nicht sonderlich ehrenvollen Namen Schweinswal. Im wahrsten Sinne des Wortes: Armes Schwein! Obwohl der Meeressäuger mit seinem dunkelgrauen Körper und der stumpfen Schnauze ziemlich süß aussieht, gelingt es uns Menschen immer wieder ihn aus seinen Heimatgewässern, wie dem Mittelmeer zu vertreiben, genauer gesagt auszurotten. Hier in der deutschen Ostsee leben heute nur noch ca. 600 Exemplare, die auf der Roten Liste Deutschlands als „stark gefährdet“ eingestuft werden. Ihr Bestand von ca. 2.000 Exemplaren im Jahre 2002 um ganze 30% verringert – durch den Menschen.
Dieses extreme Schweinswalsterben lässt sich schon auf das späte Mittelalter zurückführen. Die Tiere wurden jahrhundertelang gejagt, da sie als Konkurrenten für den Fischfang galten, und die Jäger mit Fangprämien ausgezeichnet. Seit dem 1. Juli 1975 stehen die 1,5-2 Meter großen Meeressäuger zwar weltweit mit dem Inkrafttreten des Washingtoner Artenschutzabkommens unter Schutz und die Jagd auf sie ist in allen europäischen Ländern verboten, doch drohen ihnen viele weitere Gefahren, sodass alleine im Jahre 2010 138 tote Wale an der deutschen Ostseeküste strandeten, im Jahre 2011 ganze 107, wobei die Dunkelziffer vermutlich weit höher liegt. Die populärste und wohl auch grausamste der eben erwähnten Gefahren trägt den unscheinbaren Namen Beifang. Die Schweinswale, die meist sehr nahe an der Wasseroberfläche schwimmen, verfangen sich in den Netzen der Fischer, da sie diese mithilfe ihrer Echoortung nicht erkennen und können sich nicht mehr befreien. Nach einem endlosen Todeskampf, der ihnen die Nylonfäden ihres Gefängnisses in die Haut treibt, ersticken sie schließlich qualvoll, da sie sich nicht länger als sechs Minuten unter Wasser aufhalten können. Normalerweise kommen sie viermal pro Minute an die Wasseroberfläche, um Luft zu holen. Natürlich wurden Maßnahmen entwickelt, die es dem Wal ermöglichen sollten, die dünnen Nylonfäden der Netze zu orten, doch diese sind teuer und die Fischer, die in dieser Sache nicht vom Staat unterstützt werden, können
Name: Schweinswal/Kleiner Tümmler (lat. Phocoena
phocoena)
Familie: Schweinswale
Größe: Männchen ca. 1,5m, Weibchen bis zu 2m lang
Gewicht: 40-80kg
Aussehen: dunkelgrauer Körper mit heller Bauchseite,
graue Linie von Auge bis Brustflosse, stumpfe
Schnauze
Vorkommen: Küstengewässer Europas, Nordwestafrikas,
Nordamerikas, Westteil der Ostsee
Nahrung: Heringe, Dorsche, Grundeln, Schwarzgrundeln,
Wittlinge, größere Krebstiere
Lebensdauer: bis zu 20 Jahre, in Deutschland höchstens
acht Jahre
Besonderes: sehr scheu, meistens zu zweit unterwegs
sich soviel Aufopferung für ein Tier nicht leisten. Um trotzdem nicht mit dem Gesetz in Konflikt
zu geraten, da es ja eigentlich verboten ist Schweinswale zu fangen, ob nun absichtlich oder nicht, binden sie den toten Meeresbewohnern Ziegelsteine an die Schwanzflosse, sodass man, wenn sie beinahe völlig verwest am Strand angespült werden, die verräterischen Netzmarken auf der Haut nicht mehr erkennen kann.
Ein weiteres Problem stellen die Schnellfähren und andere Lärmquellen in der Ostsee dar. Diese erzeugen so laute Geräusche, dass sie das Echoortungssystem der Wale, welches mithilfe von Schallwellen funktioniert, so gut wie nutzlos machen. Normalerweise orientieren diese sich per „Hör-Bild“, welches auf kurzen Schallimpulsen von 130 Hertz (Menschen können nur bis zu 20 Hertz hören) basiert. Ist es in der Umgebung der Schweinswale zu laut, kann dieses „Hör-Bild“ nicht mehr erzeugt werden, es entstehen Kommunikationsschwierigkeiten, Stress und die Tiere erleiden im schlimmsten Fall ein kompletten Hörverlust, der im großen weiten Meer ihr Ende bedeutet. Zu diesen Katastrophen tragen auch die neuen Offshorewindparks in der Ostsee einen Großteil bei. Die Schwingungen, die die Windräder, auch beim Bau, erzeugen, stören ebenfalls das Echoortungssystem des Wals. Mit bis zu 178 Dezibel wird dort gehämmert und geklopft, obwohl nur höchstens 160 erlaubt sind (ab 164 Dezibel können die Meeressäuger schwerhörig werden). Wichtige Ernährungsorte und Aufziehungsplätze für den Nachwuchs, der einmal im Jahr im Mai oder Juni zur Welt kommt, werden zu lauten Tabuzonen. Ökologie bekämpft hier Ökologie. Paradox. Noch paradoxer ist, dass Politik und Behörden die Augen vor dem offensichtlichen Untergang einer für das Ökosystem Meer wichtigen Rasse verschließen. Das Naturschutzgesetz, nach welchem der Schweinswal in seinem Lebensraum nicht gestört werden darf, wird so lange ausgedehnt, bis es fast in Ordnung ist, dass man die Meeressäuger so lange mit andauernden lauten Tönen aus den Gebieten der Windparks vertreibt, dass sie sich erst wieder in einem Umkreis von 20km blicken lassen.
Und das ist noch lange nicht alles: Die Ostsee gilt, das ist allgemein bekannt, als das am stärksten verschmutzte Meer der Welt, da ganze 25% ihres Meeresbodens für tot erklärt wurden. Dieses schreckliche Resultat lässt sich unter anderem auf das hohe Schadstoffniveau zurückführen, dem das Meerwasser täglich ausgesetzt ist. Schwermetalle wie Phosphor, Dioxine oder giftige Kohlenwasserstoffverbindungen schwimmen dort herum, es ist sogar die Rede von Überresten von Munition, die nach dem zweiten Weltkrieg in der Ostsee entsorgt wurden. PCB (Polychlorierte Biphenyle), eine organische Chlorverbindung, die sich ebenfalls dort befindet, führt mit all den anderen Giften zur Unfruchtbarkeit der Schweinswale, welche dafür sorgt, dass jährlich mehr von ihnen sterben als geboren werden, und einer starken Schädigung ihres Immunsystems. Plastik, das hauptsächlich von Schiffen ins Meer gelangt, wird von den Walen fälschlicherweise für Plankton gehalten und verzehrt. Einmal hinuntergeschluckt lagert es sich im Magen ab und kann nicht zersetzt werden, sodass die Unglücklichen mit vollem Magen verhungern müssen. Doch das gilt nicht nur für die Wale: Auch Fische werden von den Giften angegriffen. Fische, die wir später verzehren und uns so dem Risiko aussetzen krank oder sogar unfruchtbar zu werden. Ein weiteres Problem für den Schweinswal stellt die Überfischung der Ostsee dar, die mittlerweile so gut wie leergefischt ist. Da Fische wie Heringe, Dorsche, Grundeln, Schwarzgrundeln, Wittlinge, aber auch größere Krebstiere die Lebensgrundlage des Meeressäugers bilden, wurden schon viele Tiere mit Anzeichen akuter Unterernährung aufgefunden – meistens tot.
Nüchtern betrachtet, ist dies alles ein Teufelskreis, aus welchem der Schweinswal als eindeutiger Verlierer hervorgeht. Er wird aus seinen wichtigen Ernährungsstandorten durch die Windkraftanlagen vertrieben, der Rest der Ostsee ist leergefischt, sodass er die flacheren Gewässer, in denen es noch Fische gibt, erreichen muss und sich dort in den für ihn unsichtbaren Netzen der Fischer verfängt und stirbt. Ein Kreis an dessen Ende der Tod steht. Doch manchmal durchbrechen einzelne Sonnenstrahlen die dichte Wolkendecke aus Sorgen und schlechten Nachrichten. So gilt der sehr seltene weiße Schweinswal, der vor kurzem in der Ostsee nördlich von Fehmarn gesichtet wurde, als Symbolträger der Hoffnung für seine Gattung. Als Symbol dafür, dass doch noch alles gut werden kann.
Was hat er sich wohl gedacht, der große, weise alte Mann dort oben im Himmel? Vielleicht steckt die Antwort auf diese Frage ja in jedem von uns. Vielleicht wollte er, dass wir uns diese Frage stellen und auf dem Weg zur Antwort die Welt ein kleines Stückchen besser machen.
→ Fische, wie Kabeljau, Flunder, Scholle, Seehecht und Wildlachs,
möglichst wenig essen (werden mit Grundstellnetzen u.
Treibnetzen gefangen, in denen sich Schweinswale verfangen)
→ normale Fährschiffe, statt Schnellfähren benutzen (dauert zwar länger, ist aber energiesparender, billiger und stört die Wale nicht)
→ möglichst wenig pestizidbehandelte Produkte kaufen, am Besten Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft und/oder mit Umweltgütezeichen „Blauer Engel“ versehene Produkte (ist gesünder und Pestizide gelangen nicht in die Ostsee)